Gedanken zum Hochwasser 2013

Katastrophenalarm in zahlreichen Ortschaften. Jahrhundertflut oder gar Jahrtausendflut? Für unzählige Menschen ein Schreckenserlebnis, für viele zum wiederholten Male in kürzester Zeit. Verzweiflung macht sich breit. Gleichzeitig überwältigt die Flut der Hilfsbereiten. Aufräumarbeiten sind schnell erledigt. Dennoch, die langfristigen Auswirkungen, wie Vernichtungen von Existenzen, das Aussterben von Städten, da viele weg ziehen, Gewerbetreibende, die aufgeben, sind noch gar nicht richtig fassbar. Die eigene Familie und Freunde sind in Grimma zum zweiten Mal Opfer der Wassermassen geworden. Das Gefühl der Ohnmacht ist nachvollziehbar.

Doch, man ist sich einig, es wird nicht das letzte Ereignis dieser Art sein. Denn das Klima ändert sich, natürlich aber auch menschengemacht. Stehende Tiefdruckgebiete mit Starkregen, wie sie es in diesem Frühsommer gegeben hat, können in Zukunft öfter auftreten. Um Orte wie Grimma -die Perle des Muldentals- am Leben zu halten und unser schönes Leipzig auch in Zukunft zu schützen, wird man sich anpassen, teils auf hochwassersichere Einrichtungen umrüsten müssen und den Austausch mit hochwassererprobten Regionen zum Beispiel im Rheinischen suchen.

Der Hochwasserschutz muss verbessert, teils Mauern um Städte gezogen, teils Deiche ertüchtigt und erhöht werden, um traditionsreiche Siedlungsstrukturen zu erhalten.

Jedoch sind solche regional stattfindenden Maßnahmen alleine kurzfristig gedacht. Wir haben den Flüssen ihren Raum genommen, sie begradigt, teils in Betonkorsetts gezwängt und beschleunigt. Auwälder und Auenwiesen umsäumten einst die Flussläufe und wirkten bei Hochwasser als natürliches Überschwemmungsgebiet, saugten das Wasser wie ein Schwamm auf. Mit Schülern führen wir öfter ein Experiment durch, wo die Wasseraufnahmefähigkeit des Auwaldbodens mit einem verdichteten Feldboden verglichen wird. Die gleiche Menge Wasser wird jeweils in eine gleich große eingefasste Fläche gegeben und die Zeit gemessen, wie lange es dauert, bis das Wasser versickert. Beim Auwaldboden dauert es meist 30 Sekunden, auf dem Feldboden sogar schon mal mehrere Stunden. Die Schüler staunen.

Über Achtzig Prozent der natürlichen Auen in Deutschland sind verloren gegangen. Täglich werden in Deutschland 100 Hektar versiegelt. Immer noch werden Gewerbegebiete und Baugrundstücke in Flussauen ausgewiesen. Die derzeitige Landwirtschaftspolitik trägt ebenfalls ihren Part zu verdichteten Böden bei. Überall wo man schaut wächst Mais und Raps, auch in den Auengebieten. Die EU-Politik fördert diese intensive Art der Bewirtschaftung, die unter anderem zur Bodenverdichtung führt, mit zum Teil dem 50fachen an Subventionen gegenüber einer Kultur zum Beispiel mit Ökokartoffeln. Dabei belegen Studien dass ökologisch bewirtschaftete Felder bedeutend mehr Wasser aufnehmen können als der Intensiv-Acker.

Nur ein minimaler Anteil der nach 2002 geplanten Hochwasserpolder sind realisiert worden. Diese natürlichen Überschwemmungsgebiete vermindern den Hochwassergipfel und entlasten die Deiche.

In Leipzig gibt es mit dem Auwald noch einen Polder. Auch wenn die Sturzflutung des Auwaldes umstritten ist, durch die Öffnung des Nahle-Auslassbauwerkes konnte (noch) Schlimmeres in den Ortschaften am Unterlauf, wie Halle verhindert werden. Der Oberlieger trägt die Verantwortung auch den Unterlieger zu schützen.

Eine enorme Wirkung hatte natürlich der Zwenkauer See, mit seinem riesigen Fassungsvermögen. Welch‘ ein Glück, dass kurz vor dem Hochwasser der Überlauf fertig gestellt wurde. Doch beim nächsten Hochwasser wird der See schon nicht mehr so viel fassen können. Was dann?

Hoffen wir, dass das Hochwasser 2013 nicht wieder so schnell vergessen wird und die Entscheidungsträger allumfassend handeln. Nämlich: den Flüssen mehr Raum schaffen, zum Beispiel durch Freigabe von Flächen und Entschädigung betroffener Landwirte; Anwohnern in kritischer Lage das Umsiedeln erleichtern; Klimaschutz; der Flächenversieglung endlich Einhalt gebieten.